Veranstaltung: | Tierpolitik im Wahlprogramm BTW17 |
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Antragsteller*in: | Entwurf des BuVos (dort beschlossen am: 10.03.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.03.2017, 21:54 |
UK-WU-01: Wir begrünen unsere Wirtschaft für Umweltschutz, Lebensqualität und neue Arbeitsplätze
Antragstext
Die technologischen Sprünge der vergangenen beiden Jahrhunderte haben den
Wohlstand und die Lebensqualität vieler Menschen außerordentlich verbessert.
Doch seit langem ist klar, dass die industrielle Wirtschaftsweise nicht nur
Wohlstand schafft, sondern auch systematisch unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen
zerstört. Immer mehr Menschen erkennen auch, dass materielles Wachstum nicht in
jedem Fall die Lebensqualität steigert.
Die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft ist die existentielle
Aufgabe unserer Zeit. Denn heute verschwendet unsere Art zu wirtschaften noch
wertvolle Ressourcen, heizt unser Klima auf und bedroht weltweit unser
Trinkwasser, unsere Luft und unsere Böden. In unserem eigenen
Menschheitsinteresse müssen wir das dringend ändern. Und es ist möglich. Wir
können unser Leben verbessern, ohne immer weiter materiell wachsen zu müssen.
Wir Grünen treten seit unserer Gründung für die ökologische Modernisierung der
Industriegesellschaft ein. Viele Menschen gehen diesen Weg mit uns.
Bürgerinitiativen und Nicht-Regierungsorganisationen kämpfen für Natur- und
Umweltschutz. Unternehmen schreiben mit grünen Ideen schwarze Zahlen,
Unternehmensinitiativen setzen sich für Klimaschutz ein. Unser Land ist dabei
seit den 1970er Jahren ein gutes Stück vorangekommen. Abgase werden inzwischen
gefiltert, Abwässer nicht mehr einfach in die Flüsse geleitet, es wird
ökologischer gebaut und produziert. Innovative Unternehmer und Tüftlerinnen
entwickeln Produkte und Dienstleistungen, die dabei helfen, unsere
Lebensqualität weiter vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln. Sie sind die Pioniere
des grünen Wandels, eines neuen, nachhaltigen Wohlstands.
Jetzt geht es darum, die Begrünung der Wirtschaft und vor allem der Industrie
quer durch alle Branchen voranzutreiben. Die grüne Energiewende hat gezeigt,
dass es geht: Deutschland hat sich auf den Weg gemacht, seine hochentwickelte
Industriegesellschaft ohne Klimagase und Atommüll mit Strom zu versorgen. Nun
braucht es mutige grüne Politik und engagierte Bürgerinnen, Ingenieure und
Unternehmerinnen, um die ökologische Modernisierung zum Ziel zu bringen.
Grünen Rahmen setzen für die ökologische Modernisierung
Grüne Wirtschaftspolitik macht ehrgeizige Vorgaben in Form von Grenzwerten, CO2-
Reduktionszielen und Produktstandards, die in realistischen Zeiträumen erreicht
werden können. Das mutet den Unternehmen zwar etwas zu, schafft aber
Planungssicherheit und gibt Impulse für Investitionen. Gleichzeitig fördern wir
dabei neue Technologien und Wissen. So können wir es schaffen, die ökologische
Modernisierung in den verschiedenen Sektoren umzusetzen.
Wir werden dafür sorgen, dass Preise zunehmend die ökologische Wahrheit sagen,
denn die Verursacher von Umweltzerstörung dürfen die Kosten nicht länger auf die
Allgemeinheit abwälzen. So setzen wir auch die richtigen Anreize dafür, dass
andere – umweltfreundlichere – Techniken entwickelt und schnell marktfähig
werden. Ein Wettstreit um die beste ökologische Lösung kommt in Gang. Ökologisch
ehrliche Preise belohnen Unternehmen, die mit Ressourcen pfleglich umgehen und
Emissionen senken. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren, wenn
langlebige Geräte Neuanschaffungen ersparen und klimafreundliche Heizungen die
Stromrechnung senken. Umweltschädliches Verhalten wollen wir nicht weiter
subventionieren. So sind zum Beispiel schwere Dienstwagen, Flugbenzin und Diesel
heute steuerlich bevorzugt, obwohl sie ökologisch schädlicher sind als ihre
Alternativen. Subventionen wie diese belaufen sich auf über 50 Milliarden Euro
pro Jahr. Eine ökologische Finanzreform muss deshalb den Abbau dieser ökologisch
schädlichen Subventionen angehen. Wir wollen in einem ersten Schritt rund 12
Milliarden Euro von diesen umweltschädlichen Subventionen abbauen. Dieses Geld
wollen wir in den Klimaschutz investieren und dazu nutzen, ärmere Haushalte bei
Investitionen zum Energie- und Ressourcensparen zu unterstützen.
Mit grüner Industriepolitik den Industriestandort und Arbeitsplätze sichern
Die ökologische Modernisierung ist die Zukunftssicherung für alle
Industriezweige in Deutschland. Alle Branchen müssen ihren Beitrag zu Klima- und
Ressourcenschutz beitragen. Und für alle Branchen gilt: wenn wir den Anschluss
verpassen, wie es zum Beispiel beim Elektroauto droht, gehen Arbeitsplätze und
Wohlstand verloren. Konkret heißt das: weg vom Verbrennungsmotor und hin zum
Elektroauto in der Autoindustrie. Weg vom Öl und hin zu nachwachsende Rohstoffen
in der Chemieindustrie. Die Bauwirtschaft kann mit Holzbau oder Textilbeton
Ressourcen und Emissionen einsparen. Wo wir regieren, bringen wir solche
Innovationen ganz konkret voran, zum Beispiel Elektro-LKW mit Oberleitungen in
Hessen und Schleswig-Holstein. Damit sichern wir den Industriestandort
Deutschland. Denn auch in der Zukunft wird unser Wohlstand von guten und
sicheren Arbeitsplätzen abhängen. Wir tun das im Dialog mit Unternehmen,
Gewerkschaften und der Wissenschaft. Doch wenn nötig, auch im Konflikt mit den
Lobbies der alten Industrien.
Von besonderer Bedeutung ist in Deutschland die Automobilbranche. Ihr wollen wir
helfen, den Sprung ins 21. Jahrhundert zu schaffen, in der Mobilität ohne
Schadstoffausstoß funktionieren muss. Das ist eine zentrale Frage mit Blick auf
Umweltzerstörung und Klimakrise. Dass dieser Sprung gelingt, ist aber auch von
großer Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Denn wir wollen
verhindern, dass Wolfsburg oder Stuttgart das Detroit von morgen werden. Deshalb
braucht es jetzt klare Rahmenbedingungen für diesen Industriezweig. Diese setzen
wir mit einem klaren Fahrplan für den Ausbau der Elektromobilität und mit dem
Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor (à Kapitel: Wir sorgen für saubere,
bezahlbare und bequeme Mobilität).
Die ökologische Modernisierung ist ein gigantisches Innovations- und
Investitionsprogramm. Und sie ist ein Jobmotor. Sie schafft neue Arbeit, nicht
nur für Ingenieurinnen und Tüftler sowie Programmierer, sondern auch für
Handwerkerinnen und Bauarbeiter. Jede in die Gebäudesanierung investierte
Milliarde schafft 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Baugewerbe, im Handwerk
und in der Industrie. Seit zehn Jahren wächst der globale Markt für
Umwelttechnik und Ressourceneffizienz rasant. Deutsche Firmen sind bei Green
Tech gut aufgestellt. Wenn die deutschen und europäischen Unternehmen es
schaffen, ihren Markanteil zu halten oder gar weiter auszubauen, entstehen hier
viele zusätzliche Jobs. Daran wollen wir arbeiten. Für uns ist dabei
entscheidend, dass bei der ökologischen Modernisierung gute Arbeitsbedingungen,
Mitbestimmung und tariflicher Schutz gelten. In den kohlenstoffintensiven
Unternehmen und Geschäftsbereichen werden allerdings auch Arbeitsplätze abgebaut
werden. Hier kümmern wir uns um eine gute soziale Absicherung, um Weiterbildung
und neue Chancen.
Unser Ziel ist es auch, dass so viel Kapital wie möglich aus fossilen
Energieträgern abgezogen wird und stattdessen dorthin fließt, wo es nachhaltigen
Wohlstand und neue Jobs schafft. Ganz nach dem Motto: Die Steinzeit endete,
obwohl es noch unzählige Steine gab – und das fossile Zeitalter muss enden,
obwohl es noch jede Menge Kohle und Öl im Boden gibt. Das Stichwort dazu lautet
„Divestment“ und meint den Abzug von Investitionen aus Öl, Kohle und Gas. Viele
deutsche Konzerne, aber auch viele Städte und Kommunen, haben viel Geld in
fossile Energieträger investiert. Das wird mehr und mehr zu einem Risiko. Die
Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und eine Orientierung am 2-Grad-Ziel machen
diese Investitionen wertlos. Deshalb fordern wir: Divest now!
Für die Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch anders wirtschaften
Wachstum muss weltweit vom Umweltverbrauch entkoppelt werden – und Wohlstand wie
Lebensqualität vom Wachstum. Wir wollen eine Wirtschaft, die nicht blind immer
weiter wachsen muss und in der langfristige Nachhaltigkeit mehr zählt als
kurzfristige Renditeziele. Wir Grünen möchten dem gesellschaftlichen Zwang zum
„Immer Mehr und immer schneller“ entgegenarbeiten. Dazu werden technische
Innovationen allein nicht reichen. Es braucht auch die Unterstützung durch
nachhaltigen Konsum und eine andere Art des Wirtschaftens. Es geht zum Beispiel
nicht nur darum, den Verbrennungsmotor einfach durch den Elektromotor abzulösen,
sondern auch darum auf innovative Formen der Mobilität wie Carsharing
umzusteigen und so die Zahl der Autos zu reduzieren.
Wir wollen zuallererst die Art, wie wir Wohlstand überhaupt messen, ändern. Wir
schlagen dafür eine neue Form der Wirtschaftsberichterstattung vor. In den
Zahlen des Bruttoinlandsproduktes (BIP), das bisher die zentrale Messgröße ist,
bilden sich Lebensqualität und Wohlstand nicht wirklich gut ab. In unserem
Jahreswohlstandsbericht werden neben ökonomischen auch ökologische und soziale
Entwicklungen anhand messbarer Kriterien dargestellt. Auch für Unternehmen
können davon Impulse für Innovationen ausgehen. So sollen größere Unternehmen in
ihrem Jahresabschluss zukünftig auch über nichtfinanzielle Indikatoren wie CO2-
Emissionen berichten.
Nur mit Kreativität und Erfindergeist wird es uns gelingen, anders und besser zu
wirtschaften. Wissenschaft und Forschung als Ideengeber, Vorreiter und kritische
Begleiter brauchen deshalb Freiräume. Gerade kleine und mittlere Unternehmen
wollen wir bei der ökologischen Modernisierung unterstützen. Ausgaben für
Forschung und Innovation werden wir steuerlich fördern. Mit einer Start-up-
Finanzierung, Infrastruktur und einer neuen, geeigneten Rechtsform geben wir den
Pionieren des Wandels Rückenwind. Die Gründung von Genossenschaften erachten wir
als einen weiteren zentralen Baustein eines anderen Wirtschaftens.
Genossenschaften verbinden unternehmerisches Handeln mit Gemeinwohlorientierung
und sind ein krisenfester Motor einer gemeinwohlorientierten Ökonomie. Um eine
Gründungswelle von Genossenschaften anzuregen, wollen wir die Rechtsform der
eingetragenen Genossenschaft entbürokratisieren und von überkommenen
Verfahrensvorschriften befreien.
Ökologische Chancen der Digitalisierung nutzen
Durch Digitalisierung können wir vieles in der Wirtschaft viel ökologischer
machen und zu einer ökologischen Mobilitäts- und Energiewende beitragen. Um die
Energieeffizienz zu verbessern, werden wir die Wirtschaft unterstützen und
Green-IT-Konzepte weiter vorantreiben. Smart Grids, also intelligente, digital
gesteuerte Netze, helfen zum Beispiel, die schwankenden Strommengen aus Wind und
Sonne auszugleichen. Wir können Verkehrsträger digital miteinander vernetzen und
Verkehrsströme so intelligenter steuern. Bits und Bytes können Energie und
Material nicht nur reduzieren, sondern ganz ersetzen. Durch 3-D-Druck werden
Baupläne über das Netz statt Bauteile in Containern über das Meer verschickt.
Videokonferenzen ersetzen Geschäftsreisen, Arbeit im Home-Office reduziert
Pendlerströme. Nie zuvor war es so einfach, Dinge und Erfahrungen über Sharing-
Plattformen zu teilen. Das reduziert materiellen Konsum. Doch hierfür bedarf es
höchster Datensicherheits- und Verbraucherschutzstandards. So schaffen wir
zukunftssichere Arbeitsplätze, sowie neue Geschäftsmodelle und schützen unsere
Lebensgrundlagen. Wie wir die Digitalisierung mit fairem Wettbewerb und
Zukunftsinvestitionen in einer krisenfesten Wirtschaft gestalten wollen, haben
wir im Kapitel Digitalisierung gestalten beschrieben.
Wer Grün wählt, stimmt für diese drei Projekte:
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Umweltschädliche Subventionen abbauen, in Klimaschutz investieren
Absurde 57 Milliarden Euro an Steuergeldern werden jährlich für Klima- und
Umweltkiller ausgegeben. Unter anderem erhalten schwere Dienstwagen, Flugbenzin
und Diesel ungerechte Steuerprivilegien. Wir Grünen wollen rund zwölf Milliarden
Euro umweltschädliche Subventionen abbauen. Denn wir wollen dafür sorgen, dass
Preise zunehmend die ökologische Wahrheit sagen. So schaffen wir Anreize für
grüne Innovationen, Klimaschutz, nachhaltige Mobilität und eine
umweltfreundliche Landwirtschaft. Und gehen gegen eine der schädlichsten Formen
der Steuerverschwendung vor.
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Divestment: Keine Kohle für die Kohle!
Trotz des Pariser Klimaabkommens stecken Investoren - vom großen Versicherer bis
zur kleinen Kommune - weiter viel Geld in Klimakiller. Deshalb fordern wir:
Divest now! - Zieht das Geld aus klimaschädlichen Geschäftsmodellen ab!
Unternehmen sollen dafür in ihren Jahresberichten die Klimarisiken von Gütern
oder Produkten offenlegen. So erhöhen wir den Druck auf Großinvestoren, CO2-
intensive Finanztitel abzustoßen. Ländern, Kommunen und Pensionsfonds wollen wir
helfen, klimafreundlich zu investieren. Damit grüne Investitionsmöglichkeiten
für alle Anlegerinnen und Anleger erkennbar sind, wollen wir eine transparente
Zertifizierung einführen.
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Wahrer Wohlstand ist mehr als Wachstum: Für einen Jahreswohlstandsbericht
Wohlstand ist mehr als die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Wir wollen
darum einen neuen Wohlstandsbericht einführen. Er misst neben ökonomischen auch
ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen. Denn Kriterien wie
unser ökologischer Fußabdruck, Artenvielfalt, Einkommensverteilung oder ein
Bildungsindex bilden unseren Wohlstand besser und umfassender ab. Diese neue,
ganzheitlichere Form des Jahresberichts macht Fehlentwicklungen und politische
Handlungserfordernisse deutlicher sichtbar.
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Änderungsanträge
- Ä1 (Philipp Bruck, Eingereicht)
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