Veranstaltung: | Tierpolitik im Wahlprogramm BTW17 |
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Antragsteller*in: | Entwurf des BuVos (dort beschlossen am: 10.03.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.03.2017, 22:02 |
WB-WH-01: Wir machen den Welthandel fair
Antragstext
Die Globalisierung ist durch drastische Widersprüche geprägt. Sie macht die
Beziehungen und den Austausch zwischen Ländern enger. Nie war es so einfach, in
ferne Länder zu reisen. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen umgeben uns
Produkte, die es ohne weltweiten Handel nicht gäbe. Auch Wissenschaft und Kultur
befruchten sich durch internationalen Austausch. Deutschland profitiert von
offenen Märkten. Hunderte Millionen Menschen in Asien, Afrika und Südamerika
konnten auch durch eine gesteuerte Integration in die Weltwirtschaft extreme
Armut überwinden.
Doch die Globalisierung hat eben auch eine anarchische, ungerechte und brutale
Seite. In vielen ärmeren wie reicheren Ländern werden Menschen in einer globalen
Wertschöpfungskette ausgebeutet oder gegeneinander ausgespielt.
Wohlstandsgewinne sind sehr ungleich und ungerecht verteilt – zwischen Staaten
und innerhalb von Staaten. Die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen
hat sich durch die Globalisierung beschleunigt. Und die entfesselten
internationalen Finanzmärkte und große Konzerne haben einen zu großen Einfluss
auf politisches Handeln gewonnen. Deswegen ist unser Ziel, die Globalisierung
auch durch die Stärkung globaler Institutionen gerechter zu gestalten; zum
Beispiel indem wir die internationalen Finanzströme besser regulieren (à
Kapitel: Wir teilen den Wohlstand gerechter) und auch indem wir den
internationalen Handel neu gestalten.
Hunderttausende Menschen in Deutschland und anderen Ländern Europas haben in den
letzten Jahren gegen TTIP, TISA und CETA, gegen eine Fortsetzung der
neoliberalen Globalisierung von oben demonstriert. Wir kämpfen an ihrer Seite.
Sowohl der nationalistische Weg, den Schattenseiten der Globalisierung mit
Abschottung zu begegnen, als auch der neoliberale Weg, Globalisierung ohne
Regulation zu forcieren, führt in den Abgrund. Wir stehen für einen anderen Weg
– den Weg friedlicher und offener Kooperation. Gerechter globaler Handel kann
dafür sorgen, dass die Vorteile der Globalisierung mehr Menschen zu Gute kommen.
Als exportorientierte Volkswirtschaft hat Deutschland eine besondere
Verantwortung. Deutschland muss deshalb dazu beitragen, dass die Europäische
Union als der größte Binnenmarkt selbstbewusst eine führende Rolle bei der
Regulierung des Welthandels einnimmt und zeigt, wie fairer Handel möglich ist.
Den brauchen wir für eine sozial-ökologische Transformation.
Gerechte Regeln für die Welt
Um Handel fair zu gestalten, müssen Regeln von allen Ländern gemeinsam
verhandelt werden, also multilateral. Das muss im Rahmen der
Welthandelsorganisation (WTO) geschehen. Denn sonst machen die mächtigen Länder
die Spielregeln und die armen haben das Nachsehen. Damit das gelingt, muss die
WTO grundlegend reformiert und unter dem Dach der Vereinten Nationen neu belebt
werden.
Mit der Verabschiedung der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen
und dem Abschluss des Pariser Klimaschutzabkommens hat die Weltgemeinschaft
zentrale Zielmarken zur Bekämpfung von Hunger und Armut, zur Reduzierung von
globaler Ungleichheit und für den Erhalt unsere ökologischen Lebensgrundlagen
gesetzt. Die Industriestaaten können und müssen dabei im Sinne einer fairen
Lastenteilung vorangehen.
Diese Zielmarken müssen auch für die Gestaltung des Welthandels und eine Reform
der WTO gelten.
So sollen alle am Welthandel Teilnehmenden die Kernarbeitsnormen der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einhalten. Vom Rohstoff bis zum
fertigen Produkt muss Arbeit menschenwürdig sein und der weltweite Wettbewerb um
die niedrigsten Löhne aufhören. Wir haben das Ziel, in Zukunft sowohl mit
entwickelten wie auch sich entwickelnden Staaten eine neue Generation von fairen
Handelsabkommen auszuhandeln. Durch ein Race to the Top von immer höheren
globalen Standards werden wir gute Arbeit garantieren und lokale Wertschöpfung
erhalten. Wir setzen damit in den fairen Handelsabkommen neben klassischen
Handelsfragen auch soziale und ökologische Standards - also unter anderem Regeln
zur Vermeidung von Steuerhinterziehung, für die Korruptionsbekämpfung, die
Implementierung von internationalen Sozial-, Klima- und Umweltnormen sowie die
freie Gewerkschaftsbildung. Alle sind gleichwertig einklagbar und
sanktionierbar.
Die „Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer“ (G20) muss
ebenfalls für eine faire Globalisierung eintreten. Auch wenn sie langfristig an
die Vereinten Nationen rückgebunden werden sollte, kann es doch hilfreich sein,
wenn die wirtschaftlich starken Länder zusammenkommen, um über internationale
Regeln zu beraten. Den Impulsen der G20 zur Trockenlegung von Steuersümpfen und
zur Kontrolle internationaler Finanzmärkte müssen aber auch Taten folgen. Die
nächste Bundesregierung muss nicht nur weiter ambitionierte Ziele im Rahmen der
G20 vorantreiben, sondern auch verbindliche Umsetzungsmechanismen über die
multilateralen Organisationen etablieren.
Jährlich sterben mehr Menschen an Hunger als an AIDS, Malaria und Tuberkulose
zusammen genommen. Wir werden den Kampf gegen den Hunger in der Welt fortführen,
indem wir gegen die exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln vorgehen und
weiter auf eine dezentrale Landwirtschaft setzen.
Neustart bei den derzeitigen Handelsabkommen
TTIP, CETA, TiSA oder andere Abkommen dieser Art sind so umstritten, weil hier
die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zur Verhandlungsmasse wurden. Wir Grünen
lehnen diese Abkommen in ihrer jetzigen Form ab. Einige wenige große,
länderübergreifende Konzerne profitieren, kleine und mittlere Unternehmen haben
das Nachsehen. Deshalb demonstrieren dagegen Kleinbauern und -bäuerinnen in
Burkina Faso genauso wie der bäuerliche Familienbetrieb in Baden-Württemberg.
Dabei sollten faire Handelsabkommen Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz sowie
Arbeitsnormen nicht schwächen, sondern international sichern und ausbauen.
Viele Kommunen fürchten, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in Handelsabkommen
nicht ausreichend geschützt wird. Hier geht es um Krankenhäuser, die
Wasserversorgung oder um die kulturelle Vielfalt. Wenn Ausnahmen für öffentliche
Dienstleistungen nicht klar definiert sind, garantieren sie keinen ausreichenden
Schutz. Vor allem sind diese Dienstleistungen nicht vom Investitionsschutz
ausgenommen – Klagen gegen die kommunale Daseinsvorsorge vor einem
Schiedsgericht würden so möglich.
Wir Grünen fordern, das Vorsorgeprinzip in allen Handelsverträgen zu verankern.
Dieses Prinzip stellt sicher, dass Produkte bei uns erst auf den Markt dürfen,
wenn klar ist, dass sie unbedenklich sind. Es sorgt dafür, dass in der EU zum
Beispiel 1.300 Substanzen nicht für den Einsatz in Kosmetika zugelassen sind.
Gentechnisch veränderte Lebensmittel, Asbest oder Hormonfleisch sind verboten.
Sogenannte Investor-Staat-Schiedsverfahren oder ein Investitionsgerichtssystem
(ICS) sehen sehen Klageprivilegien für Konzerne vor. Wir wollen nicht, dass
demokratisch beschlossene Gesetze wie etwa der Atomausstieg oder Regeln für
Aufdrucke auf Zigarettenpackungen dadurch unterlaufen werden. Für solche
Verfahren gibt es keine Begründung. Sonderklagerechte für Investoren und große
Konzerne lehnen wir entschieden ab. Wir setzen uns stattdessen für einen
ständigen Handelsgerichtshof unter dem Dach der Vereinten Nationen ein, der auch
auf soziale, menschenrechtliche, umwelt- und klimarelevante völkerrechtliche
Verpflichtungen achtet.
Fairer Handel bringt Chancen für ärmere Länder
Fairer Handel kann eine nachhaltige Entwicklung in Gang setzen. Wenn wir
Entwicklungsländern Raum lassen, durch Zölle und Quoten ihre Märkte zu schützen,
können sie ihre heimische Wirtschaft aufbauen. Im Moment aber stoßen wir dem
globalen Süden die Leiter weg, auf der wir selbst unser heutiges
Entwicklungsniveau erklommen haben. Subventionierte Importe aus Europa können
ganze Branchen in Entwicklungsländern zerstören. So hat zum Beispiel der
europäische Export von Milchpulver, Tomaten oder Hähnchenteilen die heimische
Produktion in Westafrika verdrängt. Die bestehenden
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des
Pazifik sind nicht fair. Die EU sollte für Entwicklungsländer Zölle auf
verarbeitete Produkte senken, damit diese ihre Wirtschaften breiter aufstellen
und mehr Gewinn im Land halten können. Das schafft vor Ort Perspektiven jenseits
von Günstlingswirtschaft, Korruption oder der gefährlichen Flucht nach Europa.
Auch Unternehmen sind verantwortlich für die gesellschaftlichen Folgen ihres
Handelns. Die europäischen Staaten haben beschlossen, die Verantwortung und
Sorgfaltspflichten verbindlich zu regeln. Das ist ein hoffnungsvoller Schritt,
doch es kann nicht der letzte sein. Die gesamte Lieferkette muss gesetzlich
verbindlich offengelegt werden. Selbstverpflichtungen von Unternehmen wie im
„Textilbündnis“ der Großen Koalition sind oft wirkungslos und reichen nicht aus.
Um fair produzierten Produkten aus der Nische zu helfen, fordern wir Grünen eine
bessere Kennzeichnung. So soll für Kundinnen und Kunden sofort erkennbar sein,
welches Produkt echte Entwicklungschancen schafft.
Wer Grün wählt, stimmt für diese drei Projekte:
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Neustart für faire Handelsabkommen
Handelsabkommen, die anders als TTIP und CETA, transparent verhandelt wurden und
an sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kriterien ausgerichtet sind,
können eine gerechte Globalisierung fördern. Sie sollten Umwelt-, Verbraucher-
und Datenschutz sowie Arbeitsnormen international sichern. Wir fordern, das
Vorsorgeprinzip in allen Handelsverträgen zu verankern, und dabei kommunale
Daseinsvorsorge, öffentliche und soziale Dienstleistungen sowie Kultur
auszunehmen. Statt Klageprivilegien für Konzerne fordern wir einen ständigen
Handelsgerichtshof unter dem Dach der Vereinten Nationen. Er soll auf
völkerrechtliche Verpflichtungen sowie die ILO-Kernarbeitsnormen achten. Wir
wollen multilaterale Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO)
wieder stärken.
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Lieferketten offenlegen für mehr Transparenz
Auch Unternehmen sind verantwortlich für die gesellschaftlichen Folgen ihres
Handelns. Lieferketten müssen gesetzlich verbindlich offengelegt werden.
Selbstverpflichtungen von Unternehmen wie im „Textilbündnis“ der Großen
Koalition sind oft wirkungslos und reichen nicht aus. Wir wollen Opfern von
Menschenrechtsverletzungen, die durch Unternehmen verursacht wurden,
zivilrechtliche Klagemöglichkeiten eröffnen. Beim Verstoß gegen diese
Sorgfaltspflichten drohen den Unternehmen Sanktionen.
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Hunger bekämpfen - Exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln eindämmen
Noch immer hungern weltweit etwa 800 Millionen Menschen, die meisten davon in
Südasien und Afrika. Für die Ärmsten der Armen wird der Preis von
Nahrungsmitteln schnell zur Überlebensfrage. Doch Spekulationen mit
Nahrungsmitteln führen zu Hunger und Leid. Das wollen wir eindämmen. Dazu
begrenzen wir die Menge, die ein einzelner Akteur von einem Produkt am Markt
kaufen darf. Um dem Hunger in der Welt wirksam zu begegnen, setzen wir uns
weiterhin ein für eine dezentrale Landwirtschaft, die agrarökologische
Prinzipien in den Vordergrund stellt. Sie gewährleistet die wirtschaftliche
Unabhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern, schützt die Biodiversität und
unterstützt die regionalen Wirtschaftskreisläufe.
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